Die Verkehrswende muss in Klosterneuburg warten. Der seit vielen Jahren versprochene Radweg-Lückenschluss im Kierlingtal beim Stollhof wird heuer bestenfalls teilweise fertiggestellt. Und auch andere vorgesehene Radwegprojekte werden immer weiter aufgeschoben.
Beim Stollhof klafft eine höchst gefährliche Lücke im Klosterneuburger Radnetz. Radfahrende – auch Kinder und Jugendliche – müssen sich hier die Fahrbahn der B14 mit dem Kfz-Verkehr teilen. Anrainer:innen klagen über Autoraser:innen, vor allem in der Nacht, und knappe Überholmanöver (Auto überholt Rad) stehen auf der Tagesordnung. „Das tut wirklich weh, dass wir diesen Lückenschluss noch nicht haben“, bekannte Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager beim Radfest Klosterneuburg 2023 (vgl. Video, 6:04-6:20: Zitat und Überholmanöver).
Dass die bereits vor zwei Jahren vorliegende Planung für einen straßenbegleitenden Geh- und Radweg nicht umgesetzt werden konnte, hat Schmuckenschlager jedoch selbst zu verantworten. Denn vor etwa zwei Jahren meinte er, es wäre schöner, einen Radweg durch die Parkanlage zu führen. „Statt neben den Autos unter Bäumen zu radeln, wäre sicher angenehm gewesen, und die Route wäre auch kürzer gewesen“, erklärt Werner Palfinger, Sprecher der Radlobby Klosterneuburg. Doch zwei Jahre Verhandlungen der Stadtgemeinde mit dem Grundeigentümer AUVA blieben erfolglos – und sind nun endgültig gescheitert. Die ursprüngliche Führung entlang der B14 soll jetzt doch wieder umgesetzt werden.
„Grundsätzlich für eine Förderung des Radverkehrs“
Laut einstimmigem Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 2022 sollte das Projekt Stollhof noch heuer Realität werden. Das wird sich nun – auch wegen der Koordination mit dem Fernwärmeausbau – nicht ausgehen. Fest steht lediglich, dass für den neuen Geh- und Radweg kein einziger Alleebaum gefällt werden muss, was auch uns ein großes Anliegen ist.
Bei der Gemeinderatssitzung im Dezember, wurde aber nicht nur das Projekt Stollhof, sondern weitaus mehr beschlossen. Es wurde ein Grundsatzbeschluss „Entwicklungsplan Radverkehr bis 2025“ gefällt. Darin heißt es: „Sichere Radwegeverbindungen des Alltagsverkehrs ermöglichen allen Zielgruppen des täglichen Radverkehrs ein sicheres Vorankommen in und zwischen allen Stadtteilen.“
Die Stadtgemeinde bekennt sich darin zur aktiven Förderung des Radverkehrs sowie zu Attraktivierung und Ausbau der Radinfrastruktur. „Öffentliche Einrichtungen und Orte des öffentlichen Interesses sollen mit dem Fahrrad leichter erreichbar sein, das sichere Abstellen in unmittelbarer Nähe ist möglich“, heißt es da. (Zum vollständigen Antragstext, der die Zustimmung aller Fraktionen erhielt, geht’s hier.)
Vom Reden ins Tun kommen
Der Grundsatzbeschluss enthält konkrete Radverkehrsprojekte samt erwünschtem Umsetzungshorizont, basierend auf den Leuchtturmprojekten der Radlobby Klosterneuburg (siehe Folder):
• 2023: Lückenschlüsse im Kierlingtal (Stollhof und Kirche/Volksschule)
• 2023-2024: Machbarkeitsstudien für Radwege samt Bahnquerungen in den Bachbetten von Weidling- und Kierlingbach
• 2024: B14-Querung im Bereich der Medekstraße und Radweg Burgstraße zum Gymnasium
• 2025+: Erschließung Gewerbegebiet Schüttau
„Wir freuen uns sehr über die gute Zusammenarbeit mit Bürgermeister Schmuckenschlager und der Stadtgemeinde, aber jetzt müssen wir endlich ins Tun kommen“, appelliert Palfinger. „Bisher wurde nichts von den versprochenen Projekten umgesetzt. Das Projekt Stollhof verzögert sich seit Jahren. Zu dem für heuer geplanten Lückenschluss im Zentrum Kierling und dem für nächstes Jahr vorgesehenen Radweg in der Burgstraße gibt es nach unserem Wissensstand noch nicht einmal Planungen. Stattdessen sollen jetzt in einigen Straßen Fahrradpiktogramme aufgepinselt werden. Diese ‚Sharrows‘ sind keine Radinfrastruktur, sondern nur ein Feigenblatt, um von den systematischen Verzögerungen beim Bau echter Radwege abzulenken.“
Von Gefahrenbereichen zu „sicheren Radwegverbindungen“
„Aktuell müssen sich Radfahrende die Kierlinger Straße (B14) mit täglich 15.000 Pkws und Lkws teilen, um vom Medek- und Martinsviertel in die Obere Stadt zu gelangen“, ergänzt Palfingers Radlobby-Kollege Robert Koch. „Das ist mitunter lebensgefährlich – und ziemlich genau vor drei Jahren kam in diesem Bereich, in der Hölzlgasse (ebenfalls B14), eine Radfahrerin ums Leben.“
Aktuell kann man die Obere Stadt von allen Seiten bequem mit dem Auto erreichen. Für Radfahrende gibt es lediglich eine sichere Auffahrt über den Geh- und Radweg in der Leopoldstraße, der in einen Mehrzweckstreifen mündet, der seinerseits alsbald endet. „Da wird es doch bitte auch für Autofahrende zumutbar sein, die Einbahn in der Medekstraße zu öffnen und die Karl Domanig-Gasse abgesehen von Anrainer:innen gänzlich dem Radverkehr zu widmen“, so Koch.
Schon 2020 hat die Radlobby eine Begegnungszone mit 20 km/h und damit eine Gleichberechtigung für alle Verkehrsteilnehmer:innen in der gesamten Obere Stadt angeregt. „Es wird Zeit, die von der Stadtgemeinde im Stadtentwicklungskonzept STEK 2030+ selbst gesteckten Ziele mit Leben zu erfüllen“, so Koch.
Die Stadtgemeinde tut sich nichts Gutes, wenn sie dringend nötige Lückenschlüsse in der Radverkehrsinfrastruktur vor sich herschiebt. An der Mobilitätswende führt kein Weg vorbei – für die Abwendung der Klimakatastrophe, für die Verkehrssicherheit (ganz besonders auch die von Kindern und Jugendlichen), für mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt. Gesund ist das Umsteigen aufs Rad oder E-Bike auch. Und übrigens liegt Klosterneuburg am EuroVelo 6, vulgo Donauradweg, einem absoluten Radtourismus-Klassiker. „Nur leider ist die Radinfrastruktur vom Donauradweg in die Stadt derzeit nicht sehr verlockend“, spricht Koch eine vergebene ökonomische Chance an, denn ohne das Rad zu schieben oder Mischverkehr kommt man vom EuroVelo 6 derzeit weder auf den Stadtplatz, noch in die Obere Stadt samt Stift. „Naja, fahren die Tourist:innen halt gleich weiter nach Wien. Sehr schade.“