Rücksichtnahme? Leider nicht immer

Viele Autofahrerinnen und Autofahrer verhalten sich rücksichtsvoll gegenüber anderen Verkehrsteilnehmerinnen und – teilnehmern.

Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, die brenzlig für die Radfahrer sind, wo sie in eine lebensbedrohliche Situation kommen. Kfz-Lenkende, die beim Ausfahren des Kreisverkehrs Kinder überholen, Radfahrerüberfahrten oder Schutzwege nicht beachten. Oder so wie es letztens einmal passiert ist in der Hofgartenstraße in Wolkersdorf:

Karl C. fährt die Einbahnstraße vom Julius Bittner – Platz Richtung Haasgasse, als er völlig unvorhersehbar für ihn von einem Auto derart knapp überholt wird, dass er von diesem sogar leicht gestreift wird. Karl C.: „Wäre das Auto nur zwei, drei Zentimeter weiter rechts gefahren, wäre ich mit voller Wucht in das nebenan parkende Auto katapultiert worden.“ Die Unfallfolgen hätten dramatisch, vielleicht sogar tödlich sein können.

Wenige hundert Meter nach diesem Vorfall trifft Karl C. auf das Auto, das ihn so gefährlich überholt hat. Die Lenkerin weist ihn mit den Worten, er hätte gefälligst so weit rechts zu fahren, dass sie ungehindert überholen könne, jegliche Schuld von sich. Na bumm, die StVO-Reform vom 1.10.2022 ist bei ihr, wie vermutlich auch bei anderen Lenkerinnen und Lenkern nicht so richtig angekommen und die Führerscheinprüfung schon lange her, da gab es diese Vorschrift vom Überholabstand ja noch gar nicht. Daher geben wir hier die Bestimmungen des § 15 Absatz 4 der StVO wieder:

Überholabstand laut StVO

Beim Überholen ist ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von Radfahrern hat der Seitenabstand im Ortsgebiet mindestens 1,5 m und außerhalb des Ortsgebietes mindesten 2 m zu betragen; bei einer gefahrenen Geschwindigkeit des überholenden Kraftfahrzeuges von höchstens 30 km/h kann der Seitenabstand der Verkehrssicherheit entsprechend reduziert werden.

Radfahrende, die an Längsparkern vorbeifahren, sollten einen Abstand von rund einem Meter einhalten, um sich nicht der Dooringgefahr – das ist das Risiko, von plötzlich aufgehenden Autotüren erfasst zu werden – auszusetzen.

Situation in der Hofgartenstraße

Schauen wir uns die Gegebenheiten in der Hofgartenstraße, die eine Einbahn ist, näher an:

Rechts und links der Fahrbahn befinden sich Parkstreifen für Längsparker, daher verbleibt eine durchschnittliche Fahrstreifenbreite von 4,0 Metern. Halten Radfahrende den Sicherheitsabstand von parkenden Autos ein und fahren mit einem Abstand von einem Meter, nimmt man eine Lenkerbreite von 60 cm an und gehen wir davon aus, der laut § 15 Absatz 4 vorgeschriebene Überholabstand von 1,5 Meter eingehalten wird, dann dürfte das überholende Kfz nur noch knapp einen Meter breit sein. Vielleicht fallen Microcars darunter, herkömmliche Autos jedenfalls nicht. Und selbst ein Microcar würde dann schon auf der anderen Seite die parkenden Autos „rasieren“.

Bei der Annahme, dass das überholende Kfz langsamer oder maximal 30 km/h unterwegs ist, kann der Überholabstand von 1,5 Metern unterschritten werden, die Verkehrssicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer muss jedoch gewährleistet sein. Liebe Kfz-Lenkerin, nicht Herr C hätte sich in Luft auflösen sollen, sie hätten seine Sicherheit nicht gefährden dürfen!
Resümee: In der Hofgartenstraße ist ein gesetzeskonformes Überholen, bei dem Radfahrende nicht gefährdet werden, praktisch nicht möglich!

Von 80% nicht beachtet

Die StVO-Novelle mit dem Überholabstand hat natürlich den Sinn, Radfahrende nicht zu gefährden. Autofahrerinnen und Autofahrer, die nicht selbst auch mal Rad fahren, ist die Gefährdung der Radler*innen vermutlich nicht so bewusst. Studien haben ergeben, dass sich rund 80% der Kfz-Lenker*innen nicht an den gesetzlich vorgeschriebenen Überholabstand halten.

Radfahrende sind nicht auf Schienen unterwegs, sie fahren sinusförmige Linien und  schwanken 10-20 cm in beide Richtungen. Schon ein Windstoß oder irgendeine Ablenkung kann zu einer noch größeren Abweichung führen.

Appell um gegenseitige Rücksichtnahme

Daher der Apell an alle Verkehrsteilnehmer um gegenseitige Rücksichtnahme! Die Straße wird von allen genutzt!

Übrigens ist die Hofgartenstraße eine für Radfahrer*innen geöffnete Einbahn. Radfahrende und Kfz-Lenker*innen, die sich dort begegnen, haben Sichtkontakt. Ein Vorfall wie der oben beschriebene wäre bei einer Begegnung mit ziemlicher Sicherheit nicht passiert.

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