Im März 1895 „hat der löbliche Stadtrat in wohlweislicher Einsicht der Wichtigkeit des Fahrrades als Verkehrsmittel die Freigabe der Straßen der Stadt unter der Bedingung bewilligt, daß den Stadtrayon nur mit Fahrzeugnissen versehene Radfahrer passieren dürfen und die Fahrvorschriften streng eingehalten werden, bei sonstiger Strafe.“ Der Wiener Neustädter Denkmalschutzverein wiederholt in der Ausgabe vom August 2024 einen Aufsatz aus dem Jahr 1961 mit dem Thema der Anfänge des Radfahrens in Wiener Neustadt. Mit seiner freundlichen Genehmigung dürfen wir daraus zitieren – siehe 2024-08-unser-neustadt-radfahren-in-wnb

Bei dieser Gelegenheit möchte ich historisch oder kulturell Interessierten die Mitgliedschaft im Denkmalschutzverein wärmstens empfehlen!

In der „Fahrordnung für Radfahrer im Stadtbezirk Wiener Neustadt“ aus 1895 ist u.a. festgelegt:

I. Das Befahren der öffentlichen Straßen und Plätze mit Fahrrädern ist nur solchen Personen gestattet, welche mit einem auf ihren Namen lautenden, vom Stadtrathe ausgefertigten, mit der Photographie des Inhabers versehenen und mit einer eigenen Nummer bezeichneten Erlaubnisscheine versehen sind. Auswärtige Radfahrer müssen sich auf Verlangen der Polizeiorgane mit einem gültigen Erlaubnisscheine der Behörde ihres Wohnortes ausweisen….

V. Auf allen Straßen und Plätzen, wo Märkte abgehalten werden, oder auf denen sich Marktfuhrwerke aufstellen, ist während der Dauer dieser Benützung das Radfahren nicht gestattet.

VI. Bei größeren Militärzügen, Leichenbegängnissen, kirchlichen oder sonstigen feierlichen Umzügen, in der Nähe des Theaters, vor Beginn und am Schlusse der Vorstellungen, und überhaupt überall dort, wo ein größerer Zusammenfluß von Menschen stattfindet, dürfen die hievon berührten Straßen und Plätze nicht befahren werden.

VII. Die Radfahrer dürfen nur die Fahrbahn benützen, und es ist denselben das Befahren der Gehwege, der Trottoirs und der städtischen Parkanlagen verboten.

VIII. Im Allgemeinen darf nur mit mäßiger Geschwindigkeit gefahren werden und ist vom Beginne der Straßenbeleuchtung an bis zur Morgendämmerung die Fahrgeschwindigkeit noch weiter zu ermäßigen.

IX. An Straßenkreuzungen haben die Radfahrer im langsamen Tempo zu fahren. Bei starkem Nebel ist das Radfahren überhaupt nicht gestattet.

X. Es ist links zu fahren, links auszuweichen und rechts vorzufahren, wenn das Vorfahren überhaupt ohne Verkehrsstörung möglich ist.

XI. Der Radfahrer hat auf die ihm entgegenkommenden Reit- oder Wagenpferde zu achten, und falls diese stutzig werden oder deren Lenker wegen Gefahr des Scheuwerdens derselben durch Zeichen zur Vorsicht mahnt, sofort abzusitzen und sein Fahrzeug den Augen der Pferde möglichst zu entziehen.

XII. Bei gemeinsamen Fahrten dürfen die Radfahrer nicht nebeneinander fahren, hintereinander aber nur in Distanzen von mindestens zehn Metern.

XIII. Der Radfahrer hat erforderlichenfalls, insbesondere bei Wendungen und Straßenkreuzungen, zur Warnung der Passanten vom Glockensignale auf entsprechende Distanz den nöthigen Gebrauch zu machen.

XIV. Das zu verwendende Fahrzeug darf nicht glänzend poliert und muß mit einer Bremsevorrichtung, dann mit dem unterhalb der Leitstange befestigten, beiderseits sichtbaren Nummerntäfelchen versehen sein, ferner bei Beginn der öffentlichen Straßenbeleuchtung bis zur Morgendämmerung und bei Nebel mit einer geeigneten Laterne beleuchtet werden.

XV. Die öffentlichen Straßen und Plätze als Tummel- oder Übungsplätze zum Radfahren zu benützen, ist untersagt. …

Foto-Quelle: Wiener Neustädter Stadtarchiv

Anfänge des Radfahrens in Wiener Neustadt