Vor kurzem ist die Radlobby Ebreichsdorf auf einen Artikel im Bezirksblatt aufmerksam geworden. Der Inhalt: Mehrere Städte, unter anderem Ebreichsdorf, wurden von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko zu Radhauptstädten zertifiziert. Wow, dachten wir, unsere Arbeit ist erledigt – Ziel zumindest am Papier erreicht. Aber was hat es mit dieser Zertifizierung auf sich? Ist diese überhaupt berechtigt? Das wollen wir uns in diesem Artikel genauer anschauen. Widergespiegelt werden die Erfahrungen des Autors, der im Alltag fast ausschließlich mit dem Fahrrad in der Gemeinde Ebreichsdorf unterwegs ist.
Die Zertifizierung Radhauptstadt
Als Erstes ist natürlich interessant, wie eine Stadt zu einer Radhauptstadt wird. Die Kriterien dazu sind auf einer eigenen Webseite aufgelistet. Der Kriterienkatalog scheint plausibel und viel versprechend zu sein, jedoch stellt sich die Frage, in wieweit Ebreichsdorf die Kriterien erfüllt:
- Städte und Gemeinden mit über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – trifft auf Ebreichsdorf zu.
- 5 Sterne für die Fahrradfreundlichkeit
- Die Zertifizierung zur Radhauptstadt wird alle zwei Jahre automatisch durchgeführt.
- Erhoben werden die aktuelle „Radfreundlichkeit“ und die Verbesserung zu den Vorjahren. – Ebreichsdorf ist zum ersten Mal zertifiziert worden, daher wird dieser Punkt erst in 2 Jahren beachtet.
- Außerdem werden Optimierungsvorschläge gemacht.
- Die Bewertung orientiert sich großteils an quantitativ erfassbaren Daten – wie jene aus der Graphenintegrations-Plattform GIP zur Verkehrsinfrastruktur.
- Das Kernstück des Zertifizierungsprozesses bildet ein von den Verkehrsplanungsbüros Rosinak & Partner und Verracon erstellter Online-Fragebogen.
- Der Online-Fragebogen beinhaltet Fragen zu den Themenbereichen Infrastruktur, Konzepte & Planung, Struktur & Organisation und Kampagnen & Öffentlichkeitsarbeit.
- GIP-Daten werden zur Beurteilung von Netzlängen des Straßennetzes innerorts, der Radinfrastruktur, Anzahl für Radfahrer geöffneter Einbahnen und verkehrsberuhigter Straßen berücksichtigt.
- Laufende Planungen werden ebenfalls berücksichtigt, aber geringer bewertet, als bereits umgesetzte Projekte.
- Im Artikel wird nur berücksichtigt, was bereits bekannt ist an Projekten.
Hat sich Ebreichsdorf die Auszeichnung verdient?
Tja, da stellt sich für mich als Alltagsradfahrer in Ebreichsdorf die Frage, wie konnte die Gemeinde hier eine ausreichende Punkteanzahl erreichen? Das Radwegenetz gleicht einem Fleckerlteppich und es sind kaum Maßnahmen umgesetzt, um dies zu verbessern. Zwar befanden sich in den letzten Gemeindezeitungen Artikel über Verbesserungen im Radwegenetz, doch diese sind meiner Meinung nur von kosmetischer Natur. Als großer Meilenstein wurden die Markierungen von sogenannten Sharrows auf der Straße angekündigt, die den Stellenwert der Radfahrenden auf der Fahrbahn verbessern sollten. In der aktuellen RVS für den Radverkehr wird daraufhin gewiesen: „Sharrows ersetzen keine qualitative Anlageform für den Radverkehr“.
Ich frage mich allerdings, ob diese wirklich eine Verbesserung darstellen? In anderen Gemeinden bin ich schon auf diese Sharrows gestoßen und diese sind dann teilweise durch Baustellen oder parkende Autos – teilweise in zweiter Spur – blockiert gewesen, weshalb ich in die Mitte der Fahrbahn wechseln musste. Auf die Umsetzung in Ebreichsdorf bin ich jedenfalls sehr gespannt.
Vor kurzem ist mir der „Radweg“ in der Piestingau aufgefallen, den ich eigentlich seit meiner Kindheit befahre, der gar keine Beschilderung aufweist. Daher kann hier nicht von einer eigenen Infrastruktur für den Radverkehr gesprochen werden. Und ich bin mir sicher, im Radkonzept der Stadt Ebreichsdorf ist dies als ein vollwertiger Radweg erfasst.
Ein weiteres Beispiel, das nicht direkt mit dem Radverkehr zu tun hat, aber indirekt mit der Sicherheit des Radverkehrs, war die Einführung der 30er Zonen. Hier ist meiner Meinung nach die Idee der „lustigen“ Schilder nach hinten losgegangen. Diese sehen viel mehr aus, als würden sich die abgebildeten Figuren vor dem 30er fürchten. Dies würde zumindest der autofreundlichen Haltung der Ebreichsdorfer Stadtregierung entsprechen.
Einkaufen mit dem Fahrrad
Was für mich zum Alltagsradeln in einer radfreundlichen Stadt dazu gehört, ist das sichere Einkaufen mit dem Fahrrad. Ich habe dazu schon in der Vergangenheit einen Artikel geschrieben, als ich über meine Erfahrung mit meinem Fahrradanhänger berichtete. Ich möchte hier ein paar Beispiele erwähnen, woran erkennbar ist, dass ein Großteil der Einkaufsmöglichkeiten nicht direkt mit dem Fahrrad erreichbar ist. Ich werde mich hierbei nur an Beispielen direkt aus der Stadtgemeinde Ebreichsdorf beziehen, in anderen Ortsteilen sieht es allerdings nicht viel besser aus.
Penny & Bipa
Da ich in der Drasche-Siedlung in Ebreichsdorf wohne, sind die nähesten Einkaufsmöglichkeiten der Penny und der Bipa. Wie auf dem Bild aus dem Kartenmaterial der Basemap zu sehen ist, befindet sich der Radweg (braune Belag entlang des Gehweges) genau auf der gegenüberliegenden Seite. Wer dort einkaufen will, muss die Straße ohne einer Überquerungshilfe überwinden. Es gibt auch einige Radfahrende, denen dies zu riskant ist und widerrechtlich den Gehweg auf der anderen Seite mit dem Fahrrad befahren, da dies für sie viel sicherer erscheint.
Lidl, CitiyCenter Ebreichsdorf, Hofer
Entlang der Wiener Neustädter Straße befinden sich mehrere Einkaufsmöglichkeiten. Davon ist nur der Hofer und weiter südlich am Anfang des Ortsteils Weigelsdorf, der Billa, direkt via Fahrrad erreichbar. Alle anderen Einkaufsmöglichkeiten befinden sich auf der anderen Seite des Radweges, wo es wiederum keine Querungshilfe gibt. In der Höhe des Spar gibt es nur eine Fußgängerampel.
Fahrradabstellanlagen
Ebenfalls wichtig ist die ausreichende Möglichkeit das Fahrrad sicher in der Stadt abzustellen. Auch hierzu gibt es bereits einen Artikel von mir, weshalb ich auf diesen Punkt hier nicht nochmal eingehen werde.
Behandlung von Radinteressensgruppen
Was für mich noch zu einer radfreundlichen Stadt gehört, ist die Zusammenarbeit mit Vertreter:innen der Radlobby. Bis jetzt wurde der Radlobby die Möglichkeit mit einzelnen Stadträten direkt zu sprechen angeboten. Es gab auch schon Gespräche. Zum Radverkehrskonzept konnten Rückmeldungen gegeben werden, ob diese berücksichtigt werden, ist leider nicht bekannt.
Fazit
Warum gerade Ebreichsdorf diese Auszeichnung bekommen hat, ist mir sehr schleierhaft. Wer schon mal in oder durch Ebreichsdorf geradelt ist, wird meinen Ansichten wahrscheinlich zustimmen. Was mir unlängst aufgefallen ist, dass der Ortsteil Schranawand über keinerlei Fahrradinfrastrukturen und Fahrradabstellanlangen verfügt.
Ich kann mir nur vorstellen, dass mit diesem Preis zukünftige Projekte zur Förderung des Radverkehres gewürdigt werden sollten, aber dann hätte dieser Preis bitte anders benannt werden solle. Denn unter einer radfreundlichen Stadt verstehe ich eine Stadt mit realen und existierenden Radinfrastrukturen und nicht eine Stadt, die im Besten Fall in 10 oder 15 Jahren radfreundlich sein wird.